STARTTAG IV

Nachdem wir wochenlang mit schlechtem Wetter und starken Winden leben mussten, konnten wir tatsächlich nicht mehr im Jahr 2023 starten. An jedem Tag Regen und starke Winde.

An manchen Tagen wären wir sogar bis Polen oder sogar bis Tschechien geflogen.

Neues Jahr, neues Glück: Die erste Startmöglichkeit ergab sich für den 9. Januar und die wollten wir trotz eisiger Kälte nutzen. Seit langer Zeit kaum Wolken und einen ganzen Tag lang Sonnenschein und auch die Luftströmungen ließen eine Landung in der Nähe von Rotenburg erwarten. Der Start war bereits angekündigt, der nahe gelegene Flugplatz informiert und alle Genehmigungen vorhanden. 

Wir trafen uns zum Schulbeginn im Selbstlernzentrum der Schule, checkten noch mal Wetter- und Flugsimulationen und die Entscheidung war klar: Wir starten!

Wir fuhren also zu unserem traditionellen Startplatz, dem Banter See Park. Der erste Start mit Frostgraden verlief nicht reibungslos. Nachdem wir einige notwendige Materialen zum Start in der Schule vergessen hatten, mussten wir erste leichte Verzögerungen hinnehmen, dann der erste richtige Schock. Beim Start des Gaseinfüllens waren wir nicht vorsichtig genug, Nach einer Windböe rieb der Schlauch einen Schlitz in den Ballon und Gas entwich. Die Mission stand kurz vor dem Abbruch. 

Aus Kostengründen hatten wir keinen Reserveballon. WIr entschieden uns aber schnell, die Mission weiterzuführen und das Leck abzubinden...

Denn auch unsere Maskottchen, der erfahrene Captain Astro-Alex, für den es seine dritte Weltraum-Mission sein sollte und sein Co-Pilot, das von Noel gebastelte Glücksschwein, waren bereit. Schließlich hatten sie auch über die Weihnachtsfeiertage ihr hartes Astronauten-Training fortgesetzt und sie haben nun schon lange auf den Start warten müssen.

Nach der ersten großen Pause wanderten dann viele Schüler/innen und Lehrer/innen unserer Schule zur Startwiese und trafen dann nach 10 Uhr ein. Einige andere Schaulustige und die Presse waren  bereits seit 9 Uhr vor Ort.

Der Befüllungsprozess war gegen 10:30 Uhr zu Ende. Wir konnten nur hoffen, dass genug Gas im Ballon ist, damit er aufsteigen konnte. Da wir nicht wussten wie viel Gas am Anfang durch den Riss entwichen ist, waren wir nicht sicher, ob die zuvor berechnete Gasmenge sich im Ballon befindet.

Wir verschlossen  mit Kabelbindern den Ballon oberhalb des Risses und befestigten mit zahlreichen Knoten die Verbindungsleinen zu Box und Fallschirm. Trotz Handschuhe hatten alle Beteiligten kalte Finger.

Nachdem wir den Flughafen Mariensiel die Startzeit wie vorher vereinbart mitteilten, erhielten wir die endgültige Flugfreigabe und zählten den Countdown zum Start herunter. Es wurde kein Bilderbuchstart wie bei der letzte Mission, die Startschnur hatte sich mit dem Kabelbinder etwas verkeilt und die Box sank noch einmal zu Boden, dann lief die Startschnur durch, ein Crew-Mitglied sank aufgrund eines Kälteschocks zu Boden und der Ballon hob sehr langsam ab. Mancher hatte noch die Befürchtung, dass der Ballon aufgrund zu geringer Gasmenge nicht an Höhe gewinnt, doch mit knapp 2 m/s gewann der Ballon an Höhe und schwebte am Kanal entlang. Geschafft! Erst mal tiefes durchatmen, das Crewmitglied mit Kälteschock wärmte sich im Auto auf, wir verluden alles Equipment in unsere beiden Fahrzeuge und fuhren zur Schule zurück. Dort schrieb Cheftechniker Christoph seine Klausur. Wir trafen uns nachdem verstauen der Gasflaschen und Materialien im Selbstlernzentrum, um unseren BLOG für die Fans zu aktualisieren und beobachteten die Ballon-Position. Wir hatten zwei Tracker an Board, von denen einer erwartungsgemäß in der Höhe ausfiel, aber der zweite lieferte uns alle 5 Minuten die aktuelle Position. Der Ballon bewegte sich immer weiter Richtung Westen und wir merkten schnell, dass er bei Aurich nicht die Kurve bekam, wie geplant. Aufgrund der geringer als geplanten Aufstiegsgeschwindigkeit blieb er viel länger in der Westwind-Strömung und wir flogen immer weiter Richtung Holland. 

Besorgt beobachteten wir die Flugrichtung und passten unsere Simulationen mit geringeren Steig-Geschwindigkeiten an. Bei Flughöhen von 35 km würden wir mittlerweile hinter Wolfsburg landen.  

Wir bestiegen dann nach 12 Uhr unsere Bergungsfahrzeuge und wollten uns an der Autobahn beim IKEA Bremen treffen und dann von dort zum Landungsort fahren. Unterwegs beobachten wir, wie der Ballon Holland erreichte und immer noch Richtung Westen flog. Bei Groningen erreichte er dann die Höhe, um seine Kurve Richtung Deutschland zu bekommen. Ab und zu setzte das Signal aus, was immer zu leichter Besorgnis bei uns führte.

Plötzlich bemerkten wir noch vor Erreichen der deutschen Grenze, dass die Flugkurve wieder zurück nach Westen führte. Das signalisierte uns, dass der Ballon geplatzt war, an Höhe verliert und wieder im Bereich der Westwind-Strömung ist. Also war von nun an klar, dass wir zur Bergung nach Holland mussten. 

Bei Delmenhorst stärkten wir uns auf einer Autobahn-Raststätte und änderten wieder unsere Fahrt-Richtung in Richtung Groningen. Der Ballon passierte bereits den Flughafen Groningen und wir stellten aber beruhigt fest, dass er nicht dort landet, sondern weiter Richtung Drachten flog. Irgendwann hatte er seine Landeposition erreicht. Seine Position änderte sich nicht mehr und wir waren erleichtert, denn die Landeposition befand sich auf einem Feld, welches gut erreichbar war. Einer entspannten Bergung schien also nichts mehr im Wege zu stehen. Durch die vielen überschwemmten Gebiete gerade in Niedersachsen hatten wir vor dem Start schon einige Sorgen, dass wir möglicherweise eine Wasserlandung zu erwarten haben.

Als wir auf der Autobahn gerade Groningen passierten, erhielten wir einen Anruf aus der Schule. Eine holländische Familie hatte sich telefonisch gemeldet und vom Fund der Box auf ihrem Feld berichtet. Wir haben auf dem Deckel nämlich immer einen Zettel mit ein paar Infos und unseren Telefon-Nummern geklebt. Das ist unsere Chance, wenn die GPS-Tracker beide ausfallen.

Unsere Schul-Sekretärin beruhigte die Familie, dass die Box ungefährlich ist und so beobachteten wir, dass die Box sich auf den anliegenden Bauernhof verschob.

Dort trafen wir uns und wurden von einem großen frei laufenden Hund begrüßt, der aber freundlich war und mit uns spielen wollte. Von den Bewohnern war erst einmal niemand zu sehen. Wir wanderten um das Haus herum und fanden den Haupteingang, wo wir uns bemerkbar machten. 

Wir wurden dann freundlich empfangen und erzählten am großen Familientisch von unseren Weltraum-Missionen. Der Familienvater konnte gut Deutsch sprechen und so klappte es gut mit der Verständigung. Die Maskottchen feierten ihr Wiedersehen, wir machten noch ein Erinnerungsbild und verzichteten darauf, eine Einladung zum Abendessen anzunehmen, da wir ja noch einen weiten Rückweg vor uns hatten. Zum Abschluss erhielten wir noch eine kleine Süßigkeit mit für den Heimweg, den wir dann gegen 18 Uhr antraten.

In der Dunkelheit verließen wir den Landeort Siegerswoude und mit einem Zwischenstopp zur Nahrungsaufnahme ging es zurück nach Wilhelmshaven.

Trotz aller Schwierigkeiten  konnten wir die Mission mit der Bergung erfolgreich abschließen und am nächsten Tag mit der Auswertung der gesammelten Daten beginnen...